Die Erfindung des Ballons oder der Beginn der Luftfahrt
Die offizielle Geschichte der Ballonfahrt beginnt im Jahre 1783 in einem bis dahin unbedeutenden Ort namens Annonay in Frankreich. Zwei Brüder, Joseph und Entiénne Montgolfier hatten beobachtet, dass bei der Verbrennung von Papierresten sich diese erhoben, und nach oben schwebten. Sie experimentierten mit diesen Erkenntnissen und bauten aus Papier und Leinwand eine 600 Kubikmeter große Hülle, die sich nach dem Befüllen mit Rauchgas, erzeugt aus brennenden Stroh und gekämmter Wolle zu einer mächtigen Kugel aufblähte, und nach dem Loslassen vor dem erstaunten Publikum am 14. Juni gigantisch in die Lüfte erhob. Der Anblick muss so überwältigend gewesen sein, dass die Kunde hierüber nach Paris gelangte und dort mit Begeisterung aufgenommen wurde. Gleichzeitig war man jedoch enttäuscht darüber, daß so ein bedeutsames Ereignis in der Provinz und nicht in der Hauptstadt selbst stattgefunden hatte. Der zu dieser Zeit regierende König Ludwig XVI. erteilte umgehend den Befehl, die Versuche mit der Luftkugel in Paris fortzusetzen. Beauftragt hierfür wurde die Akademie der Wissenschaften in Paris.
Die Berichte aus Annonay waren jedoch sehr lückenhaft. Professor Charles, der mit der Durchführung des Projekts beauftragt war wusste nicht, dass die Montgolfiers ihre Ballone mit heißer Luft gefüllt hatten. Für ihn kam nur Wasserstoff, von dem man wusste, dass er 14 mal leichter als Luft war, zum Füllen der Luftkugel in Betracht. Doch noch nie war eine so große Menge Wasserstoff erzeugt worden. Die hierfür nötigen Apparaturen mussten erst entwickelt und gebaut werden. Die Zeit drängte, zumal Ludwig der XVI. selbst die Gebrüder Montgolfier zu einer Vorführung ihrer Erfindung nach Paris eingeladen hatte. Ein zweites Problem war noch zu lösen. Die Ballonhüllen wurden von den im Wasserstoffgas enthaltenen Schwefelsäuretröpfchen zerfressen. Die letzte Rettung kam von den Gebrüdern Robert, die einen Firnis zum Beschichten der Hüllen aus Seide entwickelt hatten.
Ein Wettstreit zwischen den Gebrüdern Montgolfier aus Annonay und der Akademie der Wissenschaften begann. Die Folge war, dass sich die Ereignisse in Paris in der zweiten Hälfte des Jahres 1783 geradezu überstürzten.
Am 27. August startet der erste -unbemannte- mit Wasserstoff gefüllte Ballon des Professor Charles auf dem Marsfeld.
Am 19. September erhebt sich ein von den Gebrüdern Montgolfiér gebauter Heißluftballon in Gegenwart Ludwig des XVI. mit den ersten Passagieren einem Hahn, einer Ente und einem Hammel in die Luft.
Am 21. November wird der Traum der Menschheit schließlich war. Zum ersten Mal können Menschen mit einem mit Heißluft gefüllten Ballon der Gebrüder Montgolfier vor den Augen der königlichen Familie in das bis dahin unbekannte Luftmeer aufsteigen. Die ersten Aeronauten sind Pilâtre de Rozier und der Marquis d`Arlandes und nicht wie vielfach angenommen, die Gebrüder Montgolfier. (Den ursprünglichen Gedanken, Sträflinge mit der Montgolfiere aufsteigen zu lassen, hatte man nach vehementen Protesten des Adels verworfen.)
Am 1. Dezember schließlich startet der erste bemannte Gasballon mit Professor Charles und Robert aus den Tuillerien. Charles führt die erste Zwischenlandung durch und lässt Robert aussteigen. Er erreicht danach eine Höhe von 3000 m und sieht dabei die bereits untergegangene Sonne wieder aufgehen. Fortan wurden Heißluftballone und Gasballone nach ihren Erfindern Montgolfieren und Charlieren benannt, und neben der bestehenden Schifffahrt war die Luftfahrt geboren von der bis heute auch die Maßeinheiten übernommen wurden ( Fuß (ft), Knoten (kt), Nautische Meilen (NM) usw. ).
Benjamin Franklin war bei den ersten Ballonaufstiegen in Paris anwesend. Dabei wurde er gefragt:"Was hat man von dieser Entdeckung, um die so viel Lärm gemacht wird?" Er antwortete kurz und bündig: "Was hat man von einem neugeborenen Kind?"
Nach den erfolgreichen Aufstiegen in Paris brach in ganz Europa ein regelrechtes Ballonfieber aus. In vielen Hauptstädten wollte man Luftfahrtgeschichte schreiben, doch der ersehnte Erfolg blieb aus. Die Unternehmen endeten bereits vor dem Start. Oft wurde der fast startklare Ballon von Unwettern zerstört. Die Luftfahrtpioniere hatten sich, nachdem der Erfolg ausblieb, hoffnungslos überschuldet und wurden noch dazu beschimpft und verhöhnt.
In Frankreich folgten indes viele erfolgreiche Ballonaufstiege. Dabei zeichnete sich die Überlegenheit des Gasballons gegenüber dem Heißluftballon ab. Mit der Charliere konnte man stundenlange Fahrten unternehmen und weite Strecken zurücklegen, während die Fahrtzeit der Montgolfiere durch den Brennstoffvorrat arg begrenzt war. Ein Aufstieg der viel größeren und farbenprächtigeren Montgolfiere war zwar spektakulärer, doch die Vorteile des Gasballons waren nicht zu übersehen. Nach und nach verschwanden die Montgolfieren vom Himmel.
In den Jahren um 1900 öffnete sich für die Ballonfahrt eine neue Gasquelle. In fast allen größeren Städten wurde in Gaswerken Leuchtgas erzeugt, das leichter als Luft war und sich deshalb als Traggas für Ballone vorzüglich eignete. Dem Umstand, dass Leuchtgas schwerer als Wasserstoff ist, wurde Rechnung getragen, dass das Volumen der Ballonhüllen vergrößert wurde. Gestartet wurde von einem Grundstück mit Gasanschluss unweit des Gaswerkes.
Die Zeit der Berufsluftschiffer auf Jahrmärkten und Volksfesten wurde abgelöst von der der Sportballonfahrer. In zahlreichen Großstädten gründeten die Luftfahrtenthusiasten Ballonclubs. Diese schlossen sich zu nationalen Dachverbänden den sog. Aeroclubs zusammen.
Schlimm traf es jedoch den nach dem Krieg wieder aufstrebenden Ballonsport, als am Anfang der sechziger Jahren die Leuchtgasproduktionen stillgelegt und die Versorgung auf Erdgas umgestellt wurde. Erdgas ist leider schwerer als Luft und deshalb als Traggas völlig unbrauchbar. Ballonsport konnte nur noch in der Nähe von einigen wenigen Chemiefabriken betrieben werden, wo Wasserstoff erzeugt wurde.
Doch wie so oft in seiner 200jährigen Geschichte bewies der eigensinnige Ballon wieder Stehvermögen. Just zu dem Zeitpunkt, als den Leuchtgasballonen der Gashahn abgedreht wurde, führte die U.S. Navy Versuche mit neuartigen Heißluftballonen durch. Deren Hüllen bestanden aus modernen Geweben wie Nylon und Polyester und nicht mehr aus papierbeschichteten Leinen. Als Brennstoff wurde anstatt Stroh und Schafwolle Propangas verwendet. Die Experimentalballone wurden zu bemannten Freiballonen weiterentwickelt und die bereits seit fast zwei Jahrhunderten vergessene Montgolfiere erwachte aus ihrem Dornröschenschlaf.
In den USA und England entstanden Ballonfabriken, die lufttüchtige Heißluftballone marktgerecht anboten. In Deutschland wurden die modernen Montgolfieren zunächst mit Skepsis beargwöhnt. In Ländern, in denen der Gasballon unbekannt war und keine Vergleichsmöglichkeit bestand, konnte die Neuentwicklung mehr Begeisterung entfachen. Denn auch die moderne Montgolfiere hat gegenüber dem Gasballon gravierende Nachteile. Der nicht unerschöpfliche Propangasvorrat begrenzt die Fahrtzeit auf nur wenige Stunden. Der zum Aufheizen der Luft notwendige Brenner verursacht auch während der Fahrt einen ohrenbetäubenden Lärm. Doch nach kurzer Zeit lernte man auch die Vorteile zu schätzen. Zum Aufrüsten des Gasballons benötigt man Stunden, während der Heißluftballon in ca. 20 Minuten ohne großen Aufwand fahrfertig ist. Man kann nach Feierabend im Sommer noch schnell starten, was zwar kein Ersatz für eine Gasballonfahrt ist, aber immerhin auch eine Ballonfahrt darstellt. Doch entscheidend, dass der Heißluftballon seinen Siegeszug in der ganzen Welt antreten konnte, ist die Tatsache, dass man mit ihm allerorts starten kann und nicht an eine Wasserstoffversorgung gebunden ist.
Im Jahr 1978 gab es in der Bundesrepublik ca. 200 Gaspiloten und 50 Heißluftpiloten. Die Zahl der Wasserstoffpiloten ist bis heute in etwa gleich geblieben, während die Zahl der Heißluftpiloten auf derzeit weit über zweitausend angestiegen ist und noch weiter ansteigt. Der Aerostat, wie der Freiballon auch genannt wird, ist in der Lage nach über 200 Jahren seit seines Bestehens immer noch zu faszinieren. Mit keinem anderen Luftfahrzeug kann man die Schwerkraft augenscheinlich so mühelos überwinden und Luftfahrt so hautnah fühlen. Die Mitfahrt wird für jeden zu einem unvergleichlichen, unvergesslichen Erlebnis. Die Tatsache, dass er sich dem Willen des Menschen, ihn lenkbar zu machen, standhaft widersetzt, macht ihn um so liebenswürdiger. Die Reise mit einem Aerostat zu einem unbekannten Ziel ist eines der letzten Abenteuer unserer Zeit, das für jeden noch zugänglich ist.